Es war der 12. März 1997 als wütende Bergleute das Regierungsviertel in Bonn belagerten und drohten, den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl aus dem Kanzleramt zu holen. Ähnlich wie die Landwirte heute, waren die Bergleute auf Subventionen, wie den “Kohlepfennig” angewiesen, die nun gestrichen werden sollten. Für viele ging es um die nackte Existenz, wo von sollte man noch leben, wenn die Zechen stillgelegt wurden? All das war bekannt, denn mehr als zehn Jahre zuvor war der Strukturwandel für das Ruhrgebiet auf sogenannten “Kohlerunden” beschlossen worden. Es gab also kein Zurück, die Bergleute standen von Beginn an auf verlorenem Posten.
Die Presse verkaufte die Ereignisse als drohenden Aufstand, Umsturzversuch und beschrieb die Bergleute als Lynchmob, dem alles zuzutrauen sei. Kritische Stimmen ob der Inszenierung suchte man in der damals noch überschaubaren Medienlandschaft vergebens. Angeführt wurde der aussichtslose Massenprotest von den üblichen Verdächtigen, den Gewerkschaften und der gespielten Opposition, die damals von SPD und Grünen gebildet wurde. Rädelsführer Lafontaine und Scharping spielten “Guter Bulle – böser Bulle” für die Menge, die am Ende klein beigeben musste. Die paar Bergleute, die in die Bannmeile eingedrungen waren, interessierten später niemanden. Kohl verkaufte sich wieder mal als politisches Schwergewicht, das Krisen wie kein anderer einfach aussitzen und meistern konnte. SPD und Grüne liefen sich für die Regierungsübernahme als vermeintlicher Anwalt der kleinen Leute warm. Ein Jahr später schickten die Herren Schröder und Fischer die ersten Bundeswehrsoldaten in den Krieg.
Für viele Bauern geht es ebenfalls um die Existenz, auch weil wieder einmal das Ausland billiger produziert und die Preise für Binnenerzeugnisse unter Druck setzen. Das angepeilte Ergebnis ist, dass deutsches Gemüse genauso unbezahlbar wird wie damals die deutsche Kohle und Abhängigkeiten geschaffen werden, die den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig zerstören. Mit Subventionen wurde Zeit erkauft, aber die Lage noch weiter verschlimmert. An Lösungen, wie ein “deutsches Wirtschaftsmodell” wagt man nicht mehr zu denken. Aus Gründen. Zeit, dass sich das ändert und es bleibt zu hoffen, dass die Bauern sich auf keinen Kuhhandel einlassen.
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4 Antworten zu „Lehrstück für die Landwirte: Als Tausende Bergleute Helmut Kohl im Regierungsviertel belagerten“