Zeitschriftenkritik: Die Kehre

„Christentum und Ökologie“ lautet das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe (Heft 16, Winter 2023/24) der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift für Naturschutz „Die Kehre“. Und in der Tat ist es ein gewagter Versuch, sich „unvoreingenommen durch dieses Minenfeld zu manövrieren und sowohl die ökologischen Seiten als auch naturzerstörerischen Impulse des Christentums zu beleuchten“, wie Chefredakteur Jonas Schick in seinem Vorwort schreibt. So ergreift auch zunächst der Historiker und Philosoph Moritz Scholtysik das Wort und bricht in seinem Beitrag „Göttliche Schöpfung und christliche Verantwortung“ eine Lanze für den christlichen Ökologismus, der ja immer aus biblischer Perspektive auf die göttliche Schöpfung verweist. Loblieder auf die Natur findet der Autor in den biblischen Psalmen, im Stundengebet der Kirche, in floralen Ornamenten und Tiermotiven der sakralen Architektur, mittelalterlicher Buchmalerei und liturgischen Gewändern, in den naturphilosophischen Schriften von Albert dem großen, in der Lyrik von Ephräm dem Syrer bis zu Gertrud von le Fort. Der gemeinsame Grund für diese vielfältigen positiven Bezüge zur Natur in der christlichen Religion liege darin, daß alles von Gott geschaffen wurde und demzufolge in sich gut sei (Genesis 1,31.). 

Im „Sonnengesang“ des italienischen Ordensgründers Franz von Assissi, der einer Heiligenlegende nach auch den Vögeln predigte, werde dies besonders anschaulich. Der Kirchenvater Augustinus habe für die gesamte Breite der Schöpfung erklärt, daß sich diese nicht nur auf einzelne Elemente beschränke, sondern den gesamten Kosmos umfasse. Zwar nehme in dieser Hierarchie der Mensch eine einzigartige Stellung ein, doch sei er aufgrund seiner Beschaffenheit als Einheit aus sterblichem Leib und unsterblicher Seele mit allen anderen Gliedern der Schöpfung verbunden. Der oft mißverstandene Bibelvers, sich die Erde „untertan“ zu machen, über die Schöpfung zu herrschen und sich aus ihr zur Nahrung zu bedienen, sei daher auch kein Auftrag zur Ausbeutung oder gar Ausrottung der Schöpfung, sondern im Gegenteil ein Auftrag zu ihrer Wahrung und Pflege. Denn an späterer Stelle heiße es, Gott habe den Menschen in den Garten Eden gesetzt, „damit er ihn bebaue und behüte“ (Genesis 2,15). Er habe dem Menschen die Verantwortung und sittliche Verpflichtung für die Schöpfung übertragen. In diesem Sinne sei die christliche Haltung daher auch nicht wachstumsfixiert, sondern ganzheitlich mit einem positiven Bezug zu Heimatliebe, lokaler Verwurzelung, Beständigkeit, Tugend der Mäßigung, Entschleunigung sowie Bereitschaft zu Opfer und Verzicht und widerspreche entschieden globaler Mobilität, totaler Technisierung sowie Gewinn- und Lustmaximierung.

Dieser Einschätzung widerspricht Alain de Benoist im Interview mit Jonas Schick. Das Christentum habe die Entsakralisierung der Welt zur Folge, ersetze das „Heilige“ durch den „Heiligen“ und sehe den Menschen als einzigen Besitzer einer unsterblichen Seele an, während zuvor die Seele das Prinzip alles Lebendigen gewesen sei. Es gehe bei dem hebräischen Begriff für „macht sie euch untertan“ unmißverständlich um Herrschen und Unterwerfen. Die Tatsache, daß der Katholizismus im Verlauf der Geschichte naturfreundlicher war als der Protestantismus erkläre sich daraus, daß er im Mittelalter stärker vom Heidentum beeinflußt wurde. Kirchen wurden systematisch errichtet, wo früher heidnische Kultstätten standen, ebenso seien die Namen der Wochentage und der christliche liturgische Kalender von den Heiden übernommen worden. Dieses „Heidenchristentum“, das lange Zeit in der Volksreligion fortbestanden habe, sei jedoch heute zusammen mit der bäuerlichen Welt verschwunden. Für de Benoist stellen die alten Religionen des vorchristlichen Europas die wirklichen Wurzeln der europäischen Kultur dar, da sie bereits mehrere tausend Jahre der Existenz hinter sich hatten. Wohl um dem berechtigten Vorwurf eines „Folklore“-Heidentums zu entgehen, plädiert er dennoch nicht für ein Wiederbeleben eines „Neuheidentums“ oder ausgestorbener Kulte, die allzu leicht in eine grüne „Klimareligion“ oder in eine unheilvolle Ökodämonologie münden könnten.

Weitere Beiträge befassen sich mit „Weltflucht und Säkularisierung – die christlichen Wurzeln der Naturzerstörung“ (Reinhard Falter), „Eigentum, Ökologie und Christentum“ (Bruno Wolters) und dem „Leben der Wilden Heiligen“ (Paul Kingsnorth)


Kontakt: Oikos Verlag. Kurt-Beyer-Str. 2, 01237 Dresden. Einzelheft 10 Euro, Jahresabo 50 Euro.


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Kommentare

4 Antworten zu „Zeitschriftenkritik: Die Kehre“

  1. Nero Redivivus

    Also sprach das Insekt beim Sekt: „Ach, wäre doch jeden Sonntag Sektengründung! Dann kämen wir auf 52 neue Religionsgemeinschaften pro Jahr.“

    1. Nero Redivivus

      Also sprach das in spritzig gespritztem Insektensekt eingetunkte Insekt fürderhin bei besagtem Sekt in fröhlicher Wissenschaft summ-summ-summ-summend: „… in insektizider Hochrechnung kämen wir sodann auf toxische 520 Sektengründungen im Jahrzehnt, folglich auf 10.400 in zweitausend Jahren; ergo bedeutete dies seit Anno Domini Zero: ungefähr 11.648 neue Religionsgemeinschaften, die seit dem Jahr Null, die dem Messias sektiererische Konkurrenz machen!“

      1. Rumpelstilzchen

        Raed Saleh, der MiHiGru-Sektenbeauftragte, pardon Chef der speziell-asozialen Anti-Demokraten von und zur Hansel- äh Hansestadt HH, will nun die islamische „Friedens“-u. Unterwerfungs-Sekte wegen – angeblich – zunehmender Insektenfeindlichkeit ökologisch korrekt und Pestizid-äh Pestilenz-frei und unverrück(t)bar in die verfasste Verfassung integrieren, um selbiger die heilige Ewigkeitsgarantie zur Freude Allahs und Mohammeds zu bescheren.
        Eine klassisch christlich-ökologische Win-Win-Situation mit progressiver Lösungseleganz.

  2. Rainer Gauger

    Der Mensch solle sich die Natur, auf deutsch „Schöpfung“, untertan machen, heißt nicht, er darf diese ausbeuten und mit ihr machen, wozu er Lust hat. Einen Menschen, ein Tier, jedes Gewächs zum Untertan zu haben, bedeutet, diese Geschöpfe sind seine Schutzbefohlenen
    Der Alte Fritz, Friedrich der Große, hatte es gewusst. „Der König ist der erste Diener seines Volkes.“