Ursprung und Entwicklung von QAnon
QAnon entstand im Oktober 2017 auf der Plattform 4chan, als ein anonymer Nutzer unter dem Pseudonym „Q“ kryptische Botschaften, sogenannte „Q-Drops“, veröffentlichte. Diese behaupteten, geheime Informationen über eine globale Elite zu enthüllen, die angeblich Kinder entführt, missbraucht und ein Verjüngungsserum namens Adrenochrom aus ihrem Blut gewinnt. Donald Trump wurde als Retter im Kampf gegen diesen „Deep State“ dargestellt. Die Theorie knüpfte an frühere Verschwörungserzählungen wie Pizzagate an und integrierte antisemitische Stereotype, etwa gegen die Rothschild-Familie oder George Soros.
Während der COVID-19-Pandemie wuchs QAnon international stark an, da Unsicherheit und Angst die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien erhöhten. In Deutschland entwickelte sich die Bewegung zur größten QAnon-Community außerhalb der USA, mit geschätzten über 200.000 Anhängern im Sommer 2020. Plattformen wie Telegram, insbesondere der Kanal „Qlobal Change“, spielten eine zentrale Rolle, dessen Abonnentenzahl von 21.000 im März 2020 auf über 160.000 im Januar 2021 stieg.
Nach Trumps Wahlniederlage 2020 und dem Sturm auf das US-Kapitol 2021, an dem QAnon-Anhänger beteiligt waren, verlor die Bewegung an Sichtbarkeit. Soziale Medien wie Facebook und YouTube gingen gegen QAnon-Inhalte vor, was die Aktivitäten auf Plattformen wie Telegram verlagerte. Dennoch blieb die Ideologie im deutschsprachigen Raum präsent, oft vermischt mit Narrativen von Reichsbürgern, Querdenkern und Impfgegnern.
Aktuelle Aktivitäten (Stand 2025)
Obwohl „Q“ seit Dezember 2020 keine neuen Beiträge mehr veröffentlicht, bleibt QAnon im deutschsprachigen Raum aktiv, wenn auch weniger prominent. Laut Studien des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) von 2022 erreicht das QAnon-Milieu weiterhin Hunderttausende, vor allem über Telegram, wo 115 Kanäle und 84 Gruppen mit Millionen Nachrichten identifiziert wurden. Die Bewegung hat sich an neue Themen wie die Klimakrise angepasst, die als Mobilisierungsfaktor genutzt wird.
In Deutschland ist QAnon in Protestbewegungen gegen Corona-Maßnahmen und bei rechtsextremen Gruppen wie der „Gruppe Reuß“ sichtbar, die 2022 wegen mutmaßlicher terroristischer Aktivitäten auffiel. Demonstrationen, etwa gegen Corona-Maßnahmen 2020, zeigten QAnon-Symbole wie „Q“-Fahnen und den Slogan „WWG1WGA“ (Where We Go One, We Go All). Trotz rückläufiger öffentlicher Wahrnehmung bleibt die Ideologie in Subkulturen und durch professionelle Inhalte wie die X22-Reports, die täglich Hunderttausende erreichen, lebendig.
Hauptakteure im deutschsprachigen Raum
Mehrere Personen haben QAnon im deutschsprachigen Raum befeuert:
- Falk O. („Resignation Anon“)– Berliner Programmierer, der Q-Drops übersetzte und über Webseiten sowie Livestreams auf Telegram verbreitete. Nach seiner Enttarnung gewann sein Kanal „Qlobal Change“ 7.000 neue Follower.
- Oliver Janich– Ehemaliger Journalist, der QAnon-Thesen über YouTube (121.000 Abonnenten) und Telegram (über 73.000 Follower) verbreitete. Ein Video über angeblichen Kindesmissbrauch erreichte fast 500.000 Aufrufe in vier Tagen.
- Leonard Z. („Lion Media“)– Betreiber eines der größten deutschsprachigen QAnon-Kanäle auf Telegram mit über 140.000 Abonnenten. Er verbreitet Narrative über „Globalisten“, „Deep State“ und „Impf-Versklavung“.
- Tamara K.– Heilpraktikerin, die 2020 bei Corona-Protesten in Berlin versuchte, den Reichstag zu stürmen, inspiriert von QAnon-Ideen, dass Trump in Berlin sei. Sie übersetzte Videos für „Qlobal Change“.
- Xavier Naidoo– Der Sänger verbreitete 2020 QAnon-Narrative, insbesondere über Adrenochrom, und trug durch seine Bekanntheit zur Verbreitung im Mainstream bei.
QAnon als mögliche Desinformationskampagne?
Neben klassischen Erklärungen für QAnon als Ausdruck kollektiver Verunsicherung oder digitaler Sektenbildung existieren auch Spekulationen, dass es sich bei QAnon um eine gezielte Desinformationskampagne handeln könnte. Einige Theorien behaupten, Q sei keine Einzelperson, sondern ein psychologisches Operationstool (PSYOP), gesteuert von Geheimdiensten wie der CIA – oder sogar dem israelischen Mossad.
Diese Behauptungen stützen sich auf folgende Aspekte:
- Das strategische Ablenkungspotenzial: QAnon hat besonders während der Trump-Regierung viele konservative Bürger beschäftigt – mit Fantasien über geheime Rettungspläne, statt mit realer politischer Organisation.
- Die perfekte Spaltung: Q hat innerhalb der „alternativen Szene“ tiefe Risse hinterlassen und viele Gruppen in interne Grabenkämpfe verwickelt.
- Professionelle Machart der „Q-Drops“: Manche Analysten verweisen auf die geschickte Anwendung von Narrativen, die gezielt psychologische Trigger auslösen – was für eine koordinierte Kampagne spricht.
- Verdächtige technische Hintergründe: Die Plattform 8kun, auf der Q zuletzt postete, wird von Jim Watkins betrieben, einem ehemaligen US-Militär mit undurchsichtigen Verbindungen.
Beweise für eine direkte Steuerung durch CIA oder Mossad existieren nicht. Solche Theorien selbst können Teil weiterer Desinformationsspiralen sein. Doch dass QAnon instrumentalisiert wurde – von wem auch immer – um politische Lager zu radikalisieren, zu verwirren und zu lähmen, erscheint nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.