Ostern gilt heute als das wichtigste Fest des Christentums – es feiert die Auferstehung Jesu Christi. Doch wer einen Blick hinter die Kulissen der Geschichte wirft, erkennt schnell: Die Ursprünge dieses Festes reichen weit tiefer und älter als das Neue Testament – bis in heidnische Fruchtbarkeitskulte, Sonnenzyklen und Naturreligionen zurück.
Heidnische Wurzeln: Frühling, Fruchtbarkeit und Wiedergeburt
Lange bevor das Christentum entstand, feierten Menschen zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche Feste des Lebens, des Lichts und der Erneuerung. Diese Rituale markierten das Ende des Winters und den Beginn der fruchtbaren Jahreszeit – eine Zeit, in der Tiere Nachwuchs bekommen, Pflanzen wieder sprießen und die Sonne zurückkehrt.
Im germanischen Kulturraum wurde zu dieser Zeit die Göttin Ostara oder Ēostre verehrt – eine Fruchtbarkeitsgöttin, die mit Symbolen wie Hasen und Eiern assoziiert wurde. Beide gelten bis heute als Ostersymbole, obwohl sie keinerlei christlichen Ursprung haben.
Der Hase war ein heiliges Tier der Ostara – Symbol für Fruchtbarkeit, Schnelligkeit und Lebenskraft. Eier wiederum galten in vielen Kulturen als Zeichen neuen Lebens und wurden oft bunt bemalt und verschenkt – ein Brauch, den die Kirche später integrierte und christlich umdeutete.
Biblische Wurzeln: Das Passahfest
Neben den heidnischen Ursprüngen darf nicht vergessen werden, dass Ostern auch auf das jüdische Passahfest zurückgeht – ein alttestamentliches Fest, das an den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei erinnert. Jesus von Nazareth wurde der Überlieferung nach zur Zeit des Passahfestes gekreuzigt. Das letzte Abendmahl war ein Passahmahl.
Viele frühe Christen – insbesondere jüdischer Herkunft – feierten das Passah in Verbindung mit der Auferstehung Jesu. Die enge zeitliche Verknüpfung erklärt, warum Ostern im Kirchenjahr bis heute nach dem jüdischen Kalender berechnet wird: am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond – wie das ursprüngliche Passah.
Die kirchliche „Christianisierung“ von Festen
Die Ausbreitung des Christentums verlief nicht durch plötzliche Brüche, sondern oft durch eine subtile Strategie der Überlagerung und Umdeutung. Um heidnische Kulturen leichter zu missionieren, wurden bestehende Feiertage, Rituale und Kultstätten nicht abgeschafft, sondern in einen neuen, christlichen Kontext gesetzt.
So wurde aus dem Ostara-Fest die Feier der Auferstehung Christi – ein theologisches Symbol für Wiedergeburt und neues Leben, das perfekt zur alten Frühlingssymbolik passte. Das heidnische Fruchtbarkeitsfest bekam eine neue Bedeutung, doch viele der alten Bräuche blieben erhalten.
Diese Praxis zog sich durch die gesamte Kirchengeschichte:
- Das Weihnachtsfest wurde auf die Zeit der Wintersonnenwende gelegt, die schon bei Römern (Saturnalien), Kelten und Germanen mit großen Festen begangen wurde.
- Viele Kirchen wurden auf ehemaligen heidnischen Kultstätten gebaut – oftmals exakt an denselben Orten, an denen zuvor Bäume, Quellen oder Steinkreise verehrt wurden.
- Zahlreiche Heilige und Märtyrer ersetzten frühere Gottheiten – ihre Geschichten und Attribute ähneln oft denen der alten Mythen.
Alte Bräuche – neu erzählt
Viele heutige Osterbräuche sind in Wirklichkeit Überbleibsel heidnischer Frühlingsrituale:
- Ostereier: Ursprünglich Fruchtbarkeitssymbol, heute Zeichen des leeren Grabes.
- Osterfeuer: Altes Sonnenwendfeuer, später als Licht Christi gedeutet.
- Osterwasser: Heiliger Quellbrauch, verbunden mit ritueller Reinigung und Fruchtbarkeit.
- Eiersuche: Ursprünglich heidnisches Spiel zur Förderung der Fruchtbarkeit, später als kindlicher Spaß „verharmlost“.
Sprachspuren im Plattdeutschen
Auch in der Sprache zeigen sich die tiefen Wurzeln des Osterfestes. In Gegenden, in denen Plattdeutsch gesprochen wird – vor allem im Norden Deutschlands – hat sich die ursprüngliche Bezeichnung erhalten: Statt „Ostern“ sagen viele dort bis heute „Poosche“, „Pusch“, „Pasken“ oder ähnlich klingende Varianten. Diese Begriffe gehen direkt auf das biblische „Pessach“ zurück und zeigen, wie sich christliche und jüdische Traditionen mit regionaler Sprache und heidnischen Bräuchen vermischt haben.
Kultstätten und Landschaftsübernahmen
Ein eindrückliches Beispiel für die Integration heidnischer Orte ist die Kirchweih auf ehemaligen Kultplätzen. So wurde etwa der Petersdom in Rom über einem alten Mithras-Heiligtum errichtet. Auch keltische oder germanische Heiligtümer – etwa heilige Bäume oder Quellheiligtümer – wurden “getauft” und mit einer Kapelle versehen.
Die Umbenennung von Feiertagen und Orten diente nicht nur der Machtausweitung, sondern war ein geschickter psychologischer Schachzug: Die Menschen durften weiterhin an ihren Ritualen festhalten – allerdings unter kirchlicher Aufsicht und mit christlicher Interpretation.
Ein Fest mit vielen Schichten
Ostern ist kein rein christliches Ereignis, sondern ein vielschichtiges Fest mit uralten Wurzeln. Es steht exemplarisch für die Strategie der frühen Kirche, bestehende kulturelle und spirituelle Praktiken nicht zu zerstören, sondern umzudeuten, zu vereinnahmen und weiterzuverwenden. So lebt in Ostern – hinter Kreuz, Lamm und liturgischer Feier – auch der alte, heidnische Geist des Frühlings weiter. Und mit Ausdrücken wie „Poosche“ bleibt auch die sprachliche Erinnerung an die tieferen Schichten der Geschichte lebendig.